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Luder in Spitzen: »Haus Bellomont«

Lily Bart ist eine Dame der guten New Yorker Gesellschaft im späten 19. Jahrhundert. Sie ist schön, charmant und geistreich, aber mittellos. Und letztere Tatsache ist der Dreh- und Angelpunkt des Kostümdramas "Haus Bellomont", das am 13. September anläuft. Lily, finanziell von ihrer greisen Großtante abhängig, muss unbedingt einen reichen Mann heiraten. Ihre Jagdgründe sind die Bälle, Landhäuser und Jachten der Oberen Zehntausend, und Lily gibt sich große Mühe, sich ihren vielen Verehrern so appetitlich wie möglich zu präsentieren. Und doch erweist sie sich als Mitgiftjägerin als Niete: In ihr schlummert der unlösbare Konflikt zwischen Geld und Liebe.

Denn Lily hat ihre große Liebe längst gefunden - einen jungen Anwalt, der aber für ihre gesellschaftlichen Ansprüche nicht reich genug ist. Und während sie ihre Zeit mit Anwalt Lawrence Selden und wohlhabenden Junggesellen vertändelt, wird ihre Unentschlossenheit zu ihrem Verderben: Denn noch wichtiger als Geld ist in ihrer prekären Stellung ein guter Ruf. Längst ist die attraktive, schlagfertige Lily Gegenstand missgünstigen Tratsches. Durch Spielschulden wird sie finanziell abhängig vom Ehemann einer Freundin, der unverblümt sexuelle Gefälligkeiten einfordert. Eine andere so genannte Freundin benutzt sie als Blitzableiter für ihren Ehebruch und macht Lily gesellschaftlich vollends unmöglich.

Die "gute Gesellschaft" als Schlangennest - dies ist nur eines der Leitmotive in Edith Whartons dickleibigem, im Jahre 1905 veröffentlichten Roman "The House of Mirth", der von dem britischen Regisseur Terence Davies brillant verfilmt wurde. In aufreizend langsamen, fast hypnotischen Einstellungen fühlt er sich Lilys wachsende Verzweiflung ein. Wharton, selbst der New Yorker Upper Class entstammend, entlarvte gnadenlos das ihr nur zu gut bekannte Milieu. Es sind kaltherzige Luder in Spitzen, die Lilys Abstieg verursachen, und gerade Lilys moralische Integrität arbeitet gegen die junge Frau. Sie besitzt nämlich Briefe, mit denen sie ihre Unschuld beweisen - aber zugleich andere Menschen schädigen könnte.

Der komplexe Charakter der Lily, die trotz ihrer Intelligenz naiv ist und Intrigen nicht zu parieren weiß, wird überraschenderweise von dem rothaarigen "Akte X"-Star Gillian Anderson verkörpert. Anderson, sonst die kühle Wissenschaftlerin, gibt eine glanzvolle Vorstellung als starke, aber innerlich gequälte Frau, die niemals entspannt und deren Lächeln immer falsch ist. Wie ihre starre Puppenschönheit Risse bekommt, ist hochdramatisch anzusehen und sehr bewegend: das Psychogramm einer höheren Tochter, deren Scheitern moralische Größe hat.

Ebenso vorzüglich besetzt sind die Nebenrollen, wobei besonders Laura Linney als skrupellose Intrigantin dem Zuschauer eiskalte Schauer über den Rücken jagt. Wie Martin Scorseses Wharton-Verfilmung "Zeit der Unschuld" schwelgt auch "Haus Bellomont" in Samt und Seide; doch die Opulenz der Ausstattung wird nie zum Selbstzweck. Davies gelingt es, durch die "Dämpfung" der kostbaren Stoffe hindurch, die spitzen Ellenbogen der wohlerzogenen Heuchler spürbar zu machen und zugleich Parallelen zur heutigen Zeit psychologisch zu vermitteln.

ENDE

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